Die Schweiz steht vor einem stillen, aber immer präsenteren Realität: Die Zahl der Selbstmorde unter Senioren erreicht Rekordhöhen. Laut einer jüngsten Analyse ist diese Zunahme hauptsächlich mit dem Aufkommen von assistierten Suiziden verbunden – einer Praxis, die seit 1942 in diesem Land legal ist, aber immer noch starke emotionale und moralische Dividenden auslöst, wie RTS und albinfo.ch berichten.
Im Jahr 2023 haben Personen über 85 Jahren Selbstmorde 42 Mal häufiger begangen als der Rest der Bevölkerung. Diese Zahl ist in den letzten 25 Jahren um das Vierfache gestiegen. Bei den 65- bis 84-Jährigen sind Selbstmorde doppelt so häufig. Gleichzeitig ist die Norm der Selbstmorde bei jungen Menschen um etwa 30% gesunken.
Eine tiefergehende Betrachtung der Zahlen zeigt, dass assistierte Suizide die Mehrheit dieser Fälle ausmachen. Bei den 65- bis 84-Jährigen sind 80% der Selbstmorde assistierte. Bei den über 85-Jährigen steigt diese Quote auf über 90%.
Organisationen wie Exit Suisse Romande, die Unterstützung für assistierte Suizide anbieten, spielen eine wichtige Rolle in diesem Trend. Zunächst auf Patienten mit terminalen Krankheiten beschränkt, hat Exit seit 2014 seine Kriterien erweitert, um auch Personen mit chronischen Krankheiten, aber nicht unbedingt lebensbedrohlichen, einzubeziehen.
Anne, eine 67-jährige Frau aus der Schweiz und Mitglied von Exit, erzählt RTS, dass sie Selbstmord als eine überlegte Entscheidung seit ihrer Jugend sieht. “Man stirbt, um frei zu sein”, sagt sie. Sie erkennt jedoch an, dass Gespräche über diesen Thema oft bei anderen Menschen Ängste auslösen, wie albinfo.ch berichtet.
Laut Prof. Pierre Vandel, einem Psychiater am CHUV, “kann ein Mensch assistierten Suizid wählen, ohne von Selbstmordgedanken geplagt zu sein”. Er betont jedoch, dass Depressionen und soziale Isolation die Hauptursachen von unassistierten Suiziden bei Senioren sind – was Fragen über die Motive hinter vielen assistierten Suiziden aufwirft.
Auf der anderen Seite unterstützt Jean-Jacques Bise, Co-Präsident von Exit Suisse Romande, die Selbstbestimmung als grundlegende Recht: “Artikel 10 der Verfassung garantiert die persönliche Freiheit. Es ist Ihre Recht, zu entscheiden, wie Sie sterben möchten. Das ist die endgültige Freiheit.” Er erklärt, dass viele der Senioren, die sich an Exit wenden, nicht von der Lebensangst geplagt sind, sondern mit Krankheiten konfrontiert sind, die ihren Würde abnehmen. Laut ihm sollte assistierter Suizid nicht mit pathologischem Suizid verwechselt werden.
Die neuen Zahlen werfen eine tiefe soziale und ethische Frage auf: Ist assistierter Suizid ein freies Akt oder ein Signal des Scheiterns, um Senioren am Ende ihres Lebens zu unterstützen?
Zurzeit bleibt der Grenz zwischen assistiertem und unassistiertem Suizid unklar. Die statistischen Kurven zeigen eine progressive Verschiebung von Selbstmorden, die aus Angst um Leben und Tod begangen werden, hin zu assistierten Suiziden, insbesondere seit den Jahren 2010, wie albinfo.ch berichtet.